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Projekt „Zwei“: Aus klein wird groß – und umgekehrt

Wie aus einer kleinen Dreingabe für einen YouTube-Kanal mein erstes umfangreicheres Schriftprojekt geworden ist.

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Extra für Kommentarfaule: Mit Emojis euren Senf zum Thema dazugeben.

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Wenn man es nicht ganz so genau nimmt, mache ich ja schon seit 2006 eigene Schriften. Angefangen hat es mit einer kleinen, bescheidenen 14-Segment-Schrift, basierend auf dem Display eines Becker-Autoradios.

Damals hatte ich einen bestehenden Freefont hier und da etwas in irgendeinem Schrifteditor zurechtgezerrt, bis er meinen optischen Vorstellungen entsprach. Wie sehr ich damals die Lizenzbestimmungen dieser Originalschrift gebrochen habe, wollen wir mal lieber verdrängen. War eh nur für mich selbst und ist schon längst verjährt … 😬😅

2013 hab ich diesen etwas angestaubten Entwurf wieder herausgekramt und von Grund auf komplett neu aufgerollt. Das Ergebnis war mein erster eigener Font-Release: FM1.

In den Jahren danach hat sich meine Typo-Gestaltung dann lediglich auf Modifikationen bestehender Schriften beschränkt, wie zum Beispiel die damalige Hausschrift von GIGA, Adobes Source Sans, die durch mich einige interne Design-Anpassungen erfahren hat und zur GIGA Sans wurde.

An eine „richtige“ Schrift, die nicht nur einfach aus Elementen einer fest im Vorfeld gestalteten Matrix besteht, hatte ich mich bisher nicht von Null an herangetraut. Ein Stück weit aus großen Respekt, den ich vor der Arbeit an einer ordentlich ausgebauten Schrift habe und sowieso vor den ganzen Schriftgestalter:innen auf der Welt, die richtig gute Arbeit mit ihren professionellen Fonts machen.

Ich sah mich selbst primär nur als reiner Anwender und Connaisseur guter Font-Software. Und das obwohl mich der damalige FontShop Marketing Director Ivo Gabrowitsch zu der Zeit schon seiner „type-designers“-Liste auf Twitter hinzugefügt hat.

Vielleicht war er ja von meiner Segment-Schrift schon sehr angetan. 🤔

Aller Anfang war pixelig

2019 hat sich das zum Glück ein wenig geändert. In diesem Jahr durfte ich das Design von Time to Drei erneuern, einem YouTube-Let’s-Play-Kanal von ehemaligen Kollegen aus meiner Zeit bei GIGA.

Ankündigungsvideo für das neue Kanalkonzept und -design in 2019.

Das ursprüngliche Erscheinungsbild, welches ebenfalls aus meiner Feder entsprang, wurde geprägt von einem Logo in Pixeloptik mitsamt passender Chiptune-Musik im Intro. Total en vogue im Jahre 2013 wo der Channel an den Start ging. Mittlerweile aber etwas abgetragen.

Der damalige Logo-Schriftzug basierte auf dem Font 8BIT WONDER von Joiro Hatgaya, wurde aber leicht modifiziert um die Zeichen etwas enger zusammenzuziehen.

Das erste Time to Drei-Logo aus dem Jahr 2013.

Aufgrund der anstehenden Frischzellenkur musste die Marke ihre Grobkörnigkeit ablegen und wurde ins moderne Zeitalter befördert.

Bei der Neuzeichnung habe ich die Formgebung der Zeichen „T“, „2“ und „3“, sowie die Art wie sie ineinandergreifen beibehalten. Im Grunde habe ich das alte Logo etwas schlanker gemacht und in feinstem High Definition abgebildet.

Dabei entstand zwangsläufig auch eine unvermeidbar große Ähnlichkeit zur Handel Gothic von Donald J. Handel, die im Jahre 1965 veröffentlicht wurde und vielen von euch sicher durch das Logo des ZDF bekannt sein dürfte.

Der aufgefrischte Time to Drei-Logoschriftzug in seiner nicht-stilisierten Form.

Aus der Not geboren

Zu einer guten YouTube-Kanalverpackung gehört natürlich ein Template für die Thumbnails. Bei Time to Drei bestanden diese bisher immer aus dem Keyvisual, einem Cover des jeweiligen Games sowie der Episodenzahl.

Texte brauchte es im T23-Design relativ selten. Deshalb wurde dafür von mir der Pixel-Font Visitor BRK als „Hausschrift“ definiert, die bereits auch schon bei Tom, einem der Köpfe hinter dem Kanal, immer sehr beliebt war.

Mit dem Relaunch musste aber nun auch dort die Pixeloptik weichen. Doch welche Schrift passt nun am besten zum neuen T23-Schriftzug? Mein erster (und zugegeben auch einziger) Gedanke war die oben bereits erwähnte Handel Gothic. Von der war ich aber nie so ein richtig großer Freund, weswegen sie für mich direkt schon nicht mehr in Frage kam.

Viele der Rundungen bei Zahlen wie „6“ und „9“, oder auch dem großen „E“ waren in meinen Augen etwas zu stark ausgeprägt. Es fehlte für mich ein Stück Geradlinigkeit bei vielen Zeichenformen.

Darüber hinaus hat die Schrift für mich immer einen gewissen Retrofuturismus-Vibe versprüht, da sie in den 80ern stark an Popularität gewonnen hat und gerne dafür genutzt wurde, wenn es darum ging gestalterisch „die Zukunft“ abzubilden.

Viele TV-Serien wie Star Trek: Deep Space Nine oder gar ALF nutzten Handel Gothic zum Setzen der Credit-Textzeilen in ihren Intro-Sequenzen.

In meinen Augen also kein so wirklich geeigneter Fit für einen Kanal, der in der richtigen Zukunft spielt. Und nicht in der, die man sich in den 80er-Jahren vielleicht ausgemalt hat.

Also hab ich den Font-Editor meines Vertauens Glyphs angeschmissen und mich mal selbst an etwas gewagt …

Hallo, T23 Headline!

Aus meinem ursprünglichen Plan, lediglich eine Schrift mit Zahlen und ausgewählten Großbuchstaben für Wörter wie „Finale”, „One-Off“ und natürlich auch „Time to Drei“ zu designen, wurde schnell ein kompletter Versalschriftsatz. Well, that escalated quickly.

Im Wesentlichen war das natürlich auch der sehr einfachen Konstruktion der Zeichenformen zu verdanken, die der Logotype zugrunde lag. Daher hab ich an der Urfassung, die zunächst auf den Arbeitstitel „Type to Drei“ hörte, auch nur knapp etwa einen Arbeitstag lang gesessen. Einfach weil ich Lust drauf hatte.

Und wie viele YouTube-Kanäle können schon behaupten, eine komplett eigens für sie gestaltete Schrift zu besitzen? Time to Drei konnte es fortan. Das war sozusagen mein kleines Geschenk on top an die lieben Leute hinter dem Projekt, die mir bereits in der Zeit bei GIGA sehr ans Herz gewachsen sind und ich seitdem auch zu meinen Freunden zählen darf.

Die Thumbnails mit eigener Schrift im neuen Glanz.

Da geht noch mehr

Eigentlich lob ich mich ja ungern selbst, aber so ein bisschen stolz war ich ja schon auf die Schrift. So sehr, dass ich sie 2021 wieder hervorgekramt habe, um eventuell noch etwas mehr mit dem grundlegenden Design anzustellen.

Die seitdem angestoßene Neuauflage hört mittlerweile auf den Arbeitstitel „Nikku Zwei“. Ja, richtig gelesen, es gibt auch eine „Eins“. Die ist aber noch weit davon entfernt, eine richtige Schrift zu sein …

Zurück zu Zwei: Initial hatte ich am reinen Versalausbau festgehalten, sodass ich zunächst nur mit dem Design weiterer Schnitte experimentieren wollte.

Später kam mir dann doch mal der längst überfällige Gedanke, dem Ding doch auch mal Kleinbuchstaben zu spendieren und damit auch einen vollständigen und ernstzunehmenden Ausbau.

Die Entstehung der ersten Zeichen und Spielereien habe ich damals sogar live auf meinem Twitch-Kanal gestreamt.

Mit einer größeren Pause dazwischen hab ich vor einigen Monaten wieder in einem weiteren Stream an weiteren Gemeinen herumdesignt und es kam überraschend gut an. Und sicherlich war es nicht der letzte Stream dieser Art, denn mit dieser Schrift hab ich noch ein bisschen was vor.

What’s next?

Mittlerweile hat sich bei mir der Plan manifestiert aus „Zwei“ eine vollständig ausgebaute Schriftfamilie zu machen. Vielleicht sogar als Variable Font. Mit dieser Technologie wollte ich mich schon länger mal auseinandersetzen. Es fehlte mir halt nur an einem Projekt. Und ein bisschen auch der Zeit.

Aber die versuche ich mir jetzt zu nehmen. Je länger ich an diesem Projekt werkel, desto mehr freue ich mich den Zeichensatz und damit auch die Schrift an sich wachsen zu sehen. Der Ausbau ist jedenfalls innerhalb des ersten Bold-Masters nach dem letzten Stream noch sehr beachtlich angewachsen.

Und wenn ihr da ebenso Freude dran habt, könnt ihr euch auf den ein oder anderen Logbuch-Eintrag zu „Zwei“ hier im Blog freuen.

In unregelmäßigen Abständen möchte ich hier Zwischenstände, Challenges und Erkenntnisse direkt aus dem Entstehungsprozess meiner kleinen bescheidenen Schrift dokumentieren.

Über euer Feedback freue ich mich natürlich ebenso. Vor einigen Wochen hab ich bereits meine Twitter– und Instagram-Follower:innen mit meinem Struggle rund um die Ziffer „4“ belagert und dabei sehr interessante Ergebnisse und Meinungen einsammeln können.

Mehr Replies als ich auf ein Font-Thema von mir jemals erwartet hätte …

Wer sehr gerne mag, kann mich bei der Entwicklung der Schrift auch ein wenig unterstützen und mir via Ko-fi einen kleinen Obulus in meine Kaffeekasse werfen. Alle Unterstützer:innen dort dürfen sich später auch über Beta-Fonts zum Testen freuen.

Aber nun sorge ich erstmal dafür, dass das Projekt weiter Formen annimmt und nicht wieder längere Zeit in virtuellen Schubladen versauert.

Dafür hab ich sogar erst kürzlich auch meinen Lieblings-Fabi™ zu einem kleinen gemütlichen Font-Coworking-Nachmittag verdonnert eingeladen und werde euch hier auf dem Laufenden halten, ob und wie ertragreich dieser verlaufen ist. Gemeinsam arbeitet es sich halt manchmal doch besser. ☺️

Schreibt mir gerne in die Kommentare, falls ihr schon mal eure eigene Schrift gestaltet habt, ihr bereits eine Verwendung für „Zwei“ hättet oder wenn ihr irgendwas an der Schrift ganz anders machen würdet. Ich freue mich auf euer Feedback!


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